Die ideellen Wurzeln dürften bis ins antike Griechenland zurückreichen. Die philosophische Justierung für die Einordnung und Würdigung der formalen Qualitäten eines Oeuvres ergibt sich demnach schon aus einer Aussage Platons: „Gerade Linien und Kreise sind … nicht nur schön … sondern ewiglich und absolut schön.“ Grundsätzlich wollte Platon damit zum Ausdruck bringen, dass nicht gegenständliche Bilder (z. B. einfache geometrische Formen) eine absolute, nicht veränderliche Schönheit besitzen. Demnach kann ein Werk bloß auf der Grundlage seiner Linien und Farben gewürdigt und wertgeschätzt werden – es ist nicht dazu verpflichtet, ein natürliches Objekt oder eine gegenständliche Szene darzustellen.
Ausschnitt aus Entschlafen Mutter Mariä | ca. 1265
Fresko in Sopoćani | Hauptwerk spätbyzantinischer Freskomalerei
Ausschnitt Engel am Grab Christi
ca. 1235 | Fresko | Mileševa | Serbien
Die sich aus der antiken Kunst herausbildende, dem universellen Anspruch christlichen Gedankenguts folgende byzantinische Kunst und Kultur, hat bis heute eine tiefe Verwurzelung bei den Orthodoxen in Europa. Sie bildet seit dem Mittelalter zudem einen zweiten Pol zu der sich in Westeuropa entwickelnden romanischen und gotischen Kunst und führt noch immer auch zu einer ideologischen und psychologischen Abgrenzung der dem byzantinischen Ritus angehörenden Völker zum Westen. Dabei erfährt das byzantinische Geschichts- und Kulturerbe Europas bis heute eine stiefmütterliche Behandlung im Bewusstsein der westlichen Gesellschaften und der Europäischen Identität. Insbesondere ist eine negative Einstellung zur Byzantinischen Kunst in der westlichen Kunstkritik seit Giorgio Vasari durch die Epitome Maniera Greca belegt worden.
Byzantinische Doppelikone | Konstantinopel | Anfang 14. Jahrhundert
Hl. Jungfrau Psychosostria | Ohrid | Ikonenmuseum
Die Nachwirkung der 'vasarischen' Abwertung von Originalität und Evolution, insbesondere der byzantinischen Tafelmalerei, blieben durch Attribute wie Starre, Verharrung und Schematismus nach wie vor wirksam. Die im Gegensatz hierzu „freien“ westlichen Künstlern und Kunststil sollte dadurch eine künstlerische Überlegenheit assistiert werden. Man konnte jedoch die Qualität der vergeistigten Wirkungswelt byzantinischer Ikonen, Fresken und Mosaiken lange nicht richtig deuten. Auch ging vom einflussreichen Werk Edward Gibbons eine diskreditierende Wirkung der byzantinischen Epoche aus, die als „Tausendjähriger Verfall“ des Römischen Imperiums auch im Niedergang antiker Kunst gesehen wurde. Erst mit der modernen, auch abstrakten Malerei zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wurde die byzantinische Maltradition positiver bewertet und deren Bildaufbau und Bildtypus auch von westlichen Künstlern als Vorlage genutzt, sowie allgemein die Bedeutung der Byzantinischen Kunst und Kultur auf den Westen im Mittelalter und der Renaissance herausgestellt.
Kaiser Justinian I. | Mosaik | San Vitale | Ravenna
Als bekanntester moderner Künstler, dessen Werk unter anderem nicht nur von byzantinischen Quellen inspiriert, sondern teilweise geradezu geprägt wurde, gilt Andy Warhol. So zum Beispiel im Porträt Gold Marilyn Monroe, das im Schema und Typus byzantinischer Ikonographie folgt.
MALEREI
In der byzantinischen Kunst spielt die Malerei, als Fresko oder als Tafelbild, eine herausragende Rolle und die Ikone stellt mithin das Wahrzeichen der Byzantinischen Kunst dar. Dabei wurde die bildliche Darstellungen an die theologische Vermittlung des Christentums der Gläubigen gebunden. Die Bilderverehrung im Christentum ist dabei beinahe so alt wie die Religion selbst. Die ersten Äußerungen zum Bild gab es im 4. Jahrhundert, als das Christentum zur Staatsreligion des römischen Weltreiches emporstieg. Hier scheint es erstmals ein Darstellungsbedürfnis gegeben zu haben. Im 6. Jahrhundert begann die Zeit der Bilderverehrung im Christentum als vorherrschende und kirchlich gebilligte Sitte.
Zunächst war die Idealvorstellung der ikonographisch ausgebildeten Gestalt im religiösen Bereich das wahre Antlitz Christi auf dem „Schweißtuch der Veronika“, das als Symbol der Wahrheit des Urbildes geschaffen wurde. Dieses Vera Ikon (von lateinisch: vera = wahr und griechisch: εικόνα = Bild, also „wahres Bild“) bezeichnet man so, da es der Überlieferung nach nicht von Menschen geschaffen, sondern von Gott geschenkt worden sein soll. Diese Urbilder absoluter Schönheit beeinflussten, als Idealformen des Porträts, die künstlerische Welt. Die Kultgeschichte der Ikone begang mit diesen Wunderbildern, die zu überirdischen Gunstbezeugungen befähigt scheinen. So war es im frühen Christentum erwünscht, dass die Bilder sich erklärten, indem sie Wunder vollbrachten. Zugleich öffnet sich ein Spielraum für eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Konzept des nicht von Menschenhand geschaffenen Bildes.
Durch die Vermittlung einer unmittelbaren Verständigung zwischen den einzelnen Menschen und Gott ohne die Beteiligung Dritter und ohne intellektuelle Anstrengungen wurde ein Bilderkanon, wie Heiligendarstellungen standardisiert, die in einer Byzantinischen Kirche von grundlegender Bedeutung wurde.
Hagia Sophia / erbaut von 532 - 537 | Hauptkirche der byzantinischen Christenheit
Architeketen: Isidor von Milet und Anthemios von Tralleis